JMD-Arbeit in Zeiten von Corona - Kontaktlos in Kontakt
Gerade in herausfordernden Zeiten ist es wichtig, dass die Jugendmigrationsdienste (JMD) weiterhin erreichbar sind. Da die persönliche Beratung nicht mehr im gewohnten Umfang stattfinden kann, hat sich die Kommunikation weitestgehend auf Telefon und E-Mail sowie Social Media und Onlineberatung verschoben. Das ist nicht immer einfach. Denn häufig fehlen den Jugendlichen technische Voraussetzungen oder das entsprechende Knowhow, wie Wolfgang Cramer vom JMD Lübeck beschreibt: „Per Messenger schreiben, das können die Jugendlichen. Aber viele wissen nicht, wie man eine E-Mail schreibt, geschweige denn, wie man Anhänge anfügt.“ Zudem ist die Hemmschwelle zum Telefonieren recht hoch – vor allem bei Jugendlichen, die erst seit Kurzem mit ihrem JMD in Kontakt sind oder Sprachschwierigkeiten haben. Aus diesen Gründen würden sich viele Ratsuchende nicht melden und deutlich weniger Beratungen stattfinden. Um Jugendliche nicht aus dem Blick zu verlieren, würden sie teilweise aktiv angerufen werden, berichtet Wolfgang Cramer: „Im Grunde ist es eine aufsuchende Arbeit – also die ganz alte Arbeitsweise – allerdings per Telefon“.
Nur die Ruhe vor dem Sturm
Auf diese Weise ist es jedoch kaum möglich, alle Jugendlichen zu erreichen. Das führe dazu, dass sich Fragen und Probleme aufstauen, befürchtet Wolfgang Cramer: „Ich sehe diese Corona-Zeit jetzt für uns als Jugendmigrationsdienst nicht als das große Problem, sondern das, was noch kommt. Es kann durchaus sein, dass hinterher jemand mit einem Beutel voller Briefe vor der Tür steht und dann um schnelle Hilfe bittet.“ Dass weniger Menschen sich melden, sei wahrscheinlich nur die Ruhe vor dem Sturm.
Keine persönliche Beratung, trotzdem viel zu tun: Wolfgang Cramer vom JMD Lübeck nutzt die etwas ruhigere Zeit.
Eine Möglichkeit, den Kontakt zu den Jugendlichen aufrechtzuerhalten und zu fördern, ist die Kommunikation über soziale Medien. Henrike Pauling vom JMD Nienburg will junge Menschen über Facebook dazu ermutigen, sich bei ihr zu melden, und sie gleichzeitig mit Informationen versorgen. Jeden Tag postet sie einen Beitrag – mal erklärt sie, was das Immunsystem ist, mal gibt sie Tipps, wie man sich die Zeit zu Hause vertreiben kann. „Ich habe auf der einen Seite die Hoffnung, dass die Leute, die uns noch nicht kennen, durch diese Posts die Hemmschwelle überwinden, uns zu kontaktieren. Und auf der anderen Seite weiß ich, dass ganz viele zu Hause sind und nicht viel tun. Wenn ich Themen anspreche, die sie interessieren, möchte ich sie damit aus der Versenkung herausholen. Ich zeige ihnen, dass wir für sie da sind und biete ihnen auf einer persönlicheren Ebene Hilfe an.“ Die Facebook-Beiträge seien also auch dafür da, so Henrike Pauling, einen Teil der Normalität aufrechtzuerhalten.
Die Qualität des persönlichen Gesprächs
Die Resonanz der Posts sei zwar recht hoch und es würden sich auch Jugendliche melden, die bisher nicht oder selten mit dem JMD Nienburg in Kontakt waren. Dennoch müsse berücksichtigt werden, dass sich die Kommunikation über soziale Medien stark vom persönlichen Gespräch unterscheide. Spontane Zwischenfragen und vermeintlich Nebensächliches seien wertvolle Aspekte der Face-to-Face-Kommunikation. „Wenn normalerweise jemand mit einem Problem in die Beratung kommt, dann kommen im Verlauf noch zwei, drei, vier weitere Dinge zur Sprache. Wenn mir jetzt jemand mit einer konkreten Frage schreibt, dann beantworte ich das, aber wir führen kein ausführliches Gespräch, wie es im persönlichen Kontakt passiert“, erklärt Henrike Pauling.
Mit hilfreichen Informationen auf Facebook hält Henrike Pauling vom JMD Nienburg den Kontakt zu den Jugendlichen aufrecht.
Aktuell fehlen auch die zufälligen Treffen in der Beratungsstelle, bei denen es nicht immer um Fragen oder Probleme gehen muss, sondern um die Beziehung – darum, den Kontakt und das Vertrauen zueinander auszubauen. Diese oft psychosoziale Unterstützung könne momentan leider nur schwer geleistet werden und sei eine große Herausforderung, meint Henrike Pauling. Gerade in dieser sehr ungewissen Zeit, in der Sprachkurse oder Praktika nicht weitergeführt werden können und es an Tagesstruktur fehle, sei eine intensive Unterstützung der Jugendlichen erforderlich.
„Wir schaukeln das schon!“
Es gibt jedoch auch positive Nebeneffekte, die die Corona-Krise mit sich bringt. Die Zeit, die durch fehlende persönliche Beratung frei geworden ist, kann sinnvoll mit all den Dingen gefüllt werden, die im gewöhnlichen Alltag auch mal liegen bleiben: Fallakten aufarbeiten, Fachliteratur lesen und sich weiterbilden. „Wir sehen die Situation auch als Möglichkeit zum Luftholen“, sagt Wolfgang Cramer aus Lübeck „und bereiten uns so gut es geht auf die noch folgenden Herausforderungen vor, indem wir jetzt beispielsweise Kapazitäten für später freiräumen.“
Trotz erschwerter Umstände würden Teambesprechungen weiterhin stattfinden, wenn auch etwas ungewöhnlich unter Einhaltung der Abstandsregelung. So beschreibt Wolfgang Cramer, wie die JMD-Mitarbeitenden jeweils in der Tür des eigenen Büros sitzen würden und die Referatsleitung im Flur. „Es funktioniert, wir müssen nur ein bisschen improvisieren.“
Teambesprechung mit Abstand beim JMD Lübeck: Corona zwingt zu kreativen Lösungen.
Das bestätigt auch Henrike Pauling in Nienburg. Das gesamte Team sei sofort bereit, alles nur Mögliche anzugehen und kreative Lösungen für die Herausforderungen zu finden. Frei nach dem Motto „Wir schaukeln das schon“ bleiben die JMD-Mitarbeitenden weiterhin motiviert und erledigen die Arbeit auch in solchen Zeiten mit Freude.
Zum JMD Lübeck (Gemeindediakonie Lübeck gGmbH)
Zum JMD Nienburg (Christliches Jugenddorfwerk Deutschlands e.V.)
Text: Servicebüro Jugendmigrationsdienste
Fotos: JMD Lübeck / JMD Nienburg