Bild mit vier weiblichen Jugendlichen

Isolation? Nein, danke! In der Gruppe aktiv trotz Pandemie

Wer während der Pandemie an den Gruppenangeboten des Jugendmigrationsdienst (JMD) Uelzen teilnimmt, fühlt sich garantiert nicht einsam. Gemeinsam wird gebastelt, gekocht, gelernt – wenn nötig virtuell. So erfahren junge Frauen und Männer auch in schwierigen Zeiten Rückhalt, Gemeinschaft und Abwechslung.

Jede Woche während des Corona-Lockdowns packten die JMD-Mitarbeitenden Papiertüten mit einem neuen Bastelprojekt für die Mädchengruppe. Die bekam jedes Mädchen nach Hause gebracht.

Endlich Montag! Wer die Mädchengruppe des JMD Uelzen kennt, weiß, warum sich die 19-jährige Tamana und ihre Freundinnen jede Woche auf diesen Tag freuen. Auf Instagram lädt JMD-Leiterin Annika Quednau dann ein neues Video hoch, das ihr gemeinsames Bastelprojekt der Woche vorstellt. Duftende Badekugeln, Upcycling-Blumentöpfe, Papier-Kakteen: Die Kreativität kennt keine Grenzen. 

Jede Woche ein Bastel-Highlight in der Mädchengruppe 

Eigentlich treffen sich die rund 20 Mädchen und jungen Frauen im Jugendmigrationsdienst des CJD in der Luisenstraße, um gemeinsam zu werkeln und zu quatschen. In der Corona-Pandemie haben Annika Quednau und ihre Kollegin Swantje Traore neue Wege gefunden, mit den Mädchen kreativ zu sein. Jede Woche packen sie für jedes Mädchen eine liebevoll gestaltete Papiertüte, oft handbemalt und mit dem Namen der Adressatin beschriftet, die alle Utensilien für das neue Bastelprojekt nebst einer Anleitung enthält. Die Mädchen basteln dann zwar nicht gemeinsam, posten aber Fotos und Videos ihrer Werke in eine gemeinsame Messengergruppe oder tauschen sie per Mail aus. Das bringt Abwechslung, Spaß und hält sie mit dem JMD und untereinander in Kontakt. 

Spaß haben und Deutsch verbessern

Tamana kommt seit fünf Jahren regelmäßig zum JMD. Ende 2015 kam die Afghanin mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland. Eine Freundin nahm sie mit in die Mädchengruppe. „Meine Freundin hat mir gesagt, da kannst du die Sprache besser lernen. So habe ich Annika und die anderen kennengelernt. Wir waren einen Tag draußen mit den Mädels und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich wiederkommen wollte.“ Über den JMD hat sie viele Kontakte geknüpft. „Ich habe viele türkische, kurdische, arabische und afghanische Mädels kennengelernt und auch einige Deutsche.“ Tamana ist ein kommunikativer Mensch, aber in der Schule fiel es ihr am Anfang schwer, sich auf Deutsch zu äußern. In der Mädchengruppe ist das anders. „Ich bin sehr froh, dass ich diese Mädels treffe. Man hat da keine Angst. Ich spreche nicht so korrekt, aber ich sage einfach, was ich denke, das ist gut. Man kann offen sein.“

Corona als Ansporn

Als mit der Pandemie die Kontakte eingeschränkt werden mussten, war für Annika Quednau, Swantje Traore und ihren Kollegen Pietro Papa klar, dass neben der Beratung auch Angebote wie die Mädchengruppe weitergehen müssen. „Dass es regelmäßige Angebote gibt, ist ganz wichtig für die Jugendlichen“, so Quednau. „Es bricht so vieles weg: der Sportverein, die Schule, alles, was Halt und Struktur gegeben hat. Daher versuchen wir, andere Wege zu finden und unsere Angebote aufrecht zu erhalten.“ Die Angebote sind vielfältig: montags Mädchengruppe, mittwochs Theater per Zoom und donnerstags Kochen, ebenfalls virtuell. Papiertüten mit Rezept und Zutaten bringen die JMD-Mitarbeitenden den Jugendlichen nach Hause. Vor Ort im JMD laufen Beratung und Hausaufgabenhilfe unter verstärkten Hygienemaßnahmen weiter. Hinzu kommen Aktionen wie ein Kreativwettbewerb anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus, bei dem junge Leute nicht nur aus Uelzen, sondern auch aus den Philippinen, Belarus, Österreich und Lettland ihre Gedichte, Zeichnungen, Cartoons und Videos einreichten. 

„Die Corona-Situation ist für uns eigentlich ein Extra-Ansporn“, sagt Annika Quednau. „Hier im ländlichen Bereich gab es zeitweise nichts an Angeboten. Da haben wir uns gesagt: Jetzt erst recht!“ Mit dieser Einstellung haben sie unter anderem 2020 den 4. Platz im JMD-Wettbewerb #coronamachtkreativ belegt. Wichtig sei die aufsuchende Arbeit, bei der die JMD-Fachkräfte Koch- oder Basteltüten an die Haustür bringen, erklärt Quednau. Sie erhalten einen Eindruck von den Lebensumständen der jungen Menschen und oft ergibt sich ein kurzes Gespräch. Auch manche der Eltern, die auf Einladungen des JMD bisher nicht eingegangen sind, lernen sie kennen. Wichtig seien diese persönlichen Begegnungen vor allem für junge Menschen, die häusliche Gewalt erfahren.

Berufsorientierung auf Augenhöhe


Junge Menschen in Ausbildung, die zuvor die JMD-Beratung besuchten, geben online ihr Wissen an Abschlussklassen weiter.

Neben Kontakten und Kreativität sind in dieser Zeit schulische und berufliche Förderangebote wichtig. Im Frühjahr besuchen normalerweise Firmen die Schulen und informieren über Ausbildungsmöglichkeiten. Diese Besuche mussten 2021 ausfallen, doch der JMD organisierte online die „Wochen der beruflichen Orientierung“. Junge Menschen, die zuvor in der Beratung des JMD waren und inzwischen ihre Ausbildung abgeschlossen haben, stellten ihre Ausbildungsberufe vor: von Handwerk und Technik über Pflege und Soziales bis zu kaufmännischen Berufen. Die ehemaligen Auszubildenden erklärten, wie man Bewerbung und Lebenslauf schreibt. So konnten Jugendliche aus Abschlussklassen und Integrationskursen ohne Scheu ihre Fragen an Gleichaltrige stellen. Diese wiederum machten die Erfahrung, als Expertinnen und Experten ihr Wissen weiterzugeben. 

Stabiles Internet? Keine Selbstverständlichkeit

Online-Angebote wie dieses wahrnehmen zu können, ist nicht für alle jungen Menschen selbstverständlich. Know-how, Ausstattung und Zugang zu stabilem Internet sind sehr unterschiedlich. „Viele wohnen in Flüchtlingsunterkünften, da ist es mit der Internetverbindung ganz schlimm“, sagt Annika Quednau. „Oft reicht es nur für drei Sätze, dann ist die Verbindung schon wieder weg.“ Der JMD hat daher räumlich getrennte PC-Arbeitsplätze eingerichtet, an denen ein Teil der Jugendlichen arbeiten oder Gruppenangebote wahrnehmen kann. Außerdem kooperiert der JMD mit dem örtlichen Kinderschutzbund und dem Jugendzentrum, die ebenfalls PC-Plätze haben. Für den Umgang mit dem Videokonferenztool haben die JMD-Mitarbeitenden Erklärvideos gedreht.

Endlich wieder persönlich treffen


Picknick und Baden in der Gruppe: Seit dem Sommer ist das wieder möglich.

Trotz aller Maßnahmen: Im Sommer war die Freude groß, als endlich wieder Präsenzangebote mit Gruppen starten konnten. In den Ferien ging der JMD mit Jugendlichen in den Schmetterlingspark und auf Geocaching-Tour. Die Mädchen rösteten gemeinsam Stockbrot am Lagerfeuer. In einem Fotoprojekt beschäftigen sich seither junge Teilnehmende mit Lebensgeschichten von Personen, die sie faszinieren, und mit der eigenen Biografie. Annika Quednau hofft, dass es so weitergehen kann. Falls doch noch einmal dichtgemacht werden muss, ist der JMD vorbereitet – und wird mit gleicher Motivation weitermachen.

Eine Stimme für die Frauen

Für Tamana und ihre Geschwister war es während des Lockdowns nicht immer einfach. Die Internetverbindung in der Wohnung, die sich die Familie zu zehnt teilt, ist teilweise schwach. Tamana nutzte in dieser Zeit oft die Hausaufgabenhilfe im JMD, der zu Fuß 20 Minuten entfernt liegt. Sie hat es trotz aller Hürden weit gebracht: Sie kommt jetzt in die 12. Klasse und bereitet sich auf das Fachabitur vor. Ihr Ziel hat die junge Frau klar vor Augen: Nach dem Abitur will sie Jura studieren und Anwältin werden. „Ich möchte anderen Menschen helfen. Eine Stimme für die Frauen sein.“ Zwar hat sie jetzt weniger Zeit zum Basteln und Theaterspielen, doch ihre Erfahrungen im JMD werden sie weiter begleiten – in Form von Sprachkenntnissen, schulischen und sozialen Kompetenzen, Freundschaften. Und der Gewissheit, dass man gemeinsam vieles schaffen und dabei auch noch Spaß haben kann.

 

Zum JMD Uelzen (CJD)

Der JMD Uelzen auf Instagram

Mehr über den JMD-Wettbewerb #coronamachtkreativ

 

Text: Servicebüro Jugendmigrationsdienste

Bilder: JMD Uelzen / Servicebüro Jugendmigrationsdienste