Ehrenamt als Chance: Zugewanderte engagieren sich im JMD Lübben
Coronabedingt müssen die Gruppenangebote zurzeit aussetzen. Doch die jungen Menschen suchen weiterhin Rat bei JMD-Beraterin Birgit Kaselow und ihren Kolleginnen. Zu viert teilen sie sich 2,45 Personalstellen und stemmen das Beratungsangebot an fünf Standorten. Das kleine Haus in Lübben ist zwar das Zentrum ihrer Arbeit, Beratungen finden aber auch in Königs Wusterhausen, Senftenberg, Lübbenau und Finsterwalde statt. Somit bringt für die JMD-Mitarbeiterinnen die ländliche Idylle nicht nur gute Luft und eine hohe Lebensqualität, sondern auch Herausforderungen mit sich. Zwischen den Standorten liegen schon mal Wege von 45 bis 50 Kilometern. Das verkompliziert nicht nur das Organisatorische, es bleibt auch eine Menge Zeit auf der Strecke.
Zeit, die an anderen Stellen fehlt. Ein Programm mit gemeinschaftlichen Aktivitäten kann der JMD außerhalb der Coronazeit nur anbieten, weil sich immer wieder Ehrenamtliche finden, die eigenständig Gruppen anbieten. So gab es beispielsweise im Jahr 2019 eine Hausaufgabenhilfe, eine Mädchengruppe, einen offenen Treff, Klavierunterricht und Sport. Manche arbeiten über Monate mit, andere über Jahre. Manche Ehrenamtliche sind ehemalige Ratsuchende, die sich engagieren.
Schritt für Schritt ins Ehrenamt
Einer der Ehrenamtlichen, die den Jugendmigrationsdienst in den letzten Jahren intensiv unterstützt haben, ist der junge Syrer Ali. Ende 2015 kommt er mit seiner Familie nach Deutschland. Nach mehreren Stationen landet die Familie in Lübben. Sie kommen zum JMD in die Beratung und Ali taucht seitdem immer wieder bei Birgit Kaselow und ihren Kolleginnen auf. Er nutzt die Sprachergänzungskurse und das Sportangebot, und bald hilft er bei allen möglichen Gelegenheiten mit: bei Begegnungscafés, Spieleabenden und kleinen Ausflügen. Auf den jungen Mann können die Mitarbeiterinnen sich verlassen. Sein Deutsch wird immer besser und bald macht er im JMD ein Praktikum.
Ali, der Übersetzer
Als das Praktikum ausläuft, hat Ali sich bereits unentbehrlich gemacht. Da liegt es nah, das Engagement in anderer Form zu verlängern. Denn immer wieder werden in Beratungsgesprächen mit jungen Menschen aus Afghanistan und Syrien Übersetzer für Arabisch, Farsi, Dari oder Persisch benötigt. Hinzu kommt, dass Ali, der auf dem zweiten Bildungsweg seinen Schulabschluss nachholen möchte, für die Schule einen Arbeitsnachweis braucht. Für den Arbeitsnachweis hätte er jeden Job annehmen können. Aber er bleibt beim JMD, wo er zwei Stunden pro Woche bei Beratungsgesprächen übersetzt. Das macht ihm Spaß und bringt ihn weiter. Er lernt viel über Deutschland, über die Menschen und ihre Anliegen. Und er mag das Gefühl, anderen zu helfen. Manchmal wird er auf der Straße angesprochen, weil die Landsleute wissen, dass er sich gut auskennt.
Auf Talentsuche
Im Sommer 2019 endete Alis Zeit als Übersetzer. Die Stelle blieb aber nicht unbesetzt. Ali hatte bereits einen Nachfolger überzeugt. So erübrigte sich die Suche nach einem neuen Sprachmittler oder einer Sprachmittlerin. Ali selbst kann jeder und jedem nur empfehlen, beim JMD mitzuarbeiten. „Man kann Menschen helfen und lernt dabei so viel. Außerdem hat es mir immer Spaß gemacht.“
Inzwischen hat der JMD schon zum dritten Mal in Folge einen jungen Sprachmittler engagiert, der mit seiner Tätigkeit zugleich den Arbeitsnachweis für den zweiten Bildungsweg erwirbt. Dass Menschen wie Ali oder sein aktueller Nachfolger Mohamed sich im JMD engagieren, ist für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen ein Glücksfall. Sie berichten von vielen guten Erfahrungen mit jungen Leuten, die sich einbringen. „Manchmal ergibt es sich schon in der Beratung, wenn wir beim Lebenslaufschreiben merken, was für Kompetenzen die jungen Menschen teilweise mitbringen. Viele haben jahrelang Musik gemacht oder sprechen verschiedene Sprachen. Wenn wir sie dann fragen, ob sie sich einbringen wollen, bekommen viele leuchtende Augen. Viel zu oft werden die jungen Leute nur auf ihre Defizite reduziert. Dabei bringen sie oft eine Menge Talent mit“, erzählt JMD-Mitarbeiterin Jean Schwarz-Handte.
Die Win-Win-Win-Situation
Von dem ehrenamtlichen Engagement profitieren alle Beteiligten: Der oder die Ehrenamtliche profitiert, da sie ihren Horizont und ihre sprachlichen Fähigkeiten erweitern. Damit sie sich nicht überfordern, werden sie bei ihrer Arbeit von den JMD-Mitarbeiterinnen unterstützt und beraten. Wenn sie als Sprachmittler tätig sind, kann ihnen das Zeugnis, das sie am Ende mitnehmen, bei Bewerbungen helfen. Der Jugendmigrationsdienst profitiert von der Hilfe und den zusätzlichen Gruppenangeboten. Und den Menschen, die zur Beratung kommen, fällt vieles leichter, wenn ein Sprachmittler dabei ist. Eine Win-win-win-Situation.
Text und Bild: Servicebüro Jugendmigrationsdienste