Wie JMD wirkt: Die Jugendmigrationsdienste im Jahresrückblick 2019
Als Daniel nach Deutschland kam, fehlte ihm vor allem eines: eine Ansprechperson, die ihm Informationen, Rat und Orientierung in der neuen Umgebung gibt. Er fand den JMD Olpe. Hier konnte er all seine Fragen stellen, Einstiegshürden bewältigen und nach und nach seine Zukunft planen. „Der Jugendmigrationsdienst hilft bei allem“, sagt er, „Schule aussuchen, einen Praktikumsplatz finden oder einfach nur die offiziellen Briefe verstehen.“ Der junge Eritreer ist einer von rund 120.000 jungen Menschen, die 2019 einen Jugendmigrationsdienst (JMD) aufsuchten. Mit Unterstützung des JMD verbesserte er sein Deutsch und fand einen Betrieb, in dem er sich jetzt auf eine Ausbildung im Metallbereich vorbereitet.
Starthilfe für junge Menschen aus 180 Nationen
Wie viele junge Leute, die die Beratung der Jugendmigrationsdienste in Anspruch nehmen, ist Daniel Anfang zwanzig, männlich und auf der Suche nach einer Ausbildung oder Arbeitsstelle. Die meisten Ratsuchenden im Jahr 2019 hatten eine Flucht hinter sich, kommen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder dem Irak. Doch den typischen Beratungsfall gibt es nicht. Die jungen Leute, die die JMD begleiten, sind zwischen 12 und 27 Jahren alt und gehören 180 verschiedenen Nationen an – junge Männer auf Ausbildungssuche, junge Frauen mit Berufsabschluss oder Jugendliche im Schulalter. Fast 90 Prozent sind selbst eingewandert, knapp 5 Prozent haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
So unterschiedlich die Hintergründe der jungen Leute, so vielfältig sind ihre Anliegen: Deutsch lernen, sich im Umgang mit Behörden zurechtfinden und Abschlüsse anerkennen lassen ist vor allem für diejenigen wichtig, die erst seit kurzer Zeit in Deutschland leben. Später geht es darum, Kompetenzen auszubauen, berufliche Perspektiven zu schaffen und einen Platz in der Gesellschaft zu finden.
Jugendmigrationsdienste begleiten mit langem Atem
Für all das bieten die JMD-Fachkräfte offene Sprechstunden zur Beratung an, aber auch längerfristige Begleitung, das sogenannte Case Management. Im Case Management werden gemeinsam Ziele vereinbart und Schritt für Schritt angegangen. Wie bei Daniel, der sich die sprachliche und berufliche Teilhabe am Leben in Deutschland wünscht. Im Schnitt dauert ein solcher Prozess zweieinhalb Jahre.
Die längerfristige Begleitung macht einen Großteil der JMD-Arbeit aus und erfordert Engagement auf beiden Seiten. Dass sich das auch in schwierigen Fällen lohnt, zeigt das Beispiel der jungen Faeza aus dem Irak: Die gelernte Krankenschwester kämpfte mithilfe der JMD-Leiterin in Meckenheim zwei Jahre lang dafür, wieder in ihrem Beruf arbeiten zu dürfen. Nach vielen bürokratischen Hürden hatten die beiden 2019 endlich Erfolg. Faeza wurde zur medizinischen Kenntnisprüfung zugelassen, um dort ihr Können zu beweisen.
Erlebnisse in der Gruppe: Interessen entdecken, Persönlichkeit stärken
Melani wuchs in Bulgarien auf und hat in diesem Jahr in Gelsenkirchen ihren Realschulabschluss gemacht. Als sie im Alter von 15 Jahren ihrer Mutter nach Deutschland folgte, musste sie sich völlig neu orientieren. Beim JMD Gelsenkirchen hat die politikinteressierte junge Frau nicht nur Unterstützung im Umgang mit Behörden gefunden, sondern auch Gleichgesinnte. Im Offenen Treff lernte sie Majd, Ahmed und andere Jugendliche kennen. Sie alle wollten mehr über das politische System und die Gesellschaft erfahren, in der sie jetzt leben. Die JMD-Mitarbeiterinnen griffen ihr Interesse auf und organisierten Gruppenangebote und Exkursionen, an denen die Jugendlichen immer wieder teilnahmen: Sie erarbeiteten Referate über die Weltreligionen in ihrer Stadt, besuchten den Landtag von NRW und fuhren 2019 für vier Tage auf Entdeckungsreise ins politische Berlin. Sie wuchsen zu einer festen Gruppe zusammen. Im JMD haben sie nicht nur Wortschatz und Wissen, sondern auch ihr Selbstbewusstsein aufgebaut und Freunde gefunden. Im Jahr 2019 boten die JMD insgesamt rund 2.400 Gruppenangebote an, vor allem Sprachtrainings, Orientierungshilfen im Bildungs- und Ausbildungssystem sowie freizeitpädagogische Angebote.
Zusammen die Gesellschaft gestalten
Mit ihren Gruppenangeboten, aber auch mit überregionalen Projekten tragen die Jugendmigrationsdienste zu einer offenen und vielfältigen Gesellschaft bei. Im Rahmen des Präventionsprogramms „Respekt Coaches“ an Schulen wirken sie Ausgrenzung und demokratiefeindlichen Entwicklungen entgegen. Hier fanden 2019 mehr als 1.400 Workshops und Projekttage statt. Das Modellprojekt „JMD im Quartier“ bringt Menschen aus Stadtteilen mit Entwicklungsbedarf zusammen, die gemeinsam ihr Wohnumfeld gestalten – zum Beispiel am Unionsplatz in Berlin-Moabit, der im Rahmen des Modellprojekts von einer Schmuddelecke in einen lebendigen Treffpunkt verwandelt wurde.
Stabile Säule im Netzwerk vor Ort – und bundesweit
Für Ämter, Behörden und Schulen bis hin zu Betrieben und Initiativen sind die Jugendmigrationsdienste wichtige Netzwerkpartner in Landkreis und Kommune. Im Schnitt ist ein JMD mit 65 Institutionen vernetzt. Jeder Zweite hat die Federführung in einem Netzwerk. Beispielsweise organisiert der JMD Leipzig regelmäßig Netzwerktreffen mit, bei denen sich örtliche Partner austauschen. So kann der JMD bei Fragen und Schwierigkeiten oft direkt mit den betreffenden Stellen in Kontakt treten. Viele JMD-Mitarbeitende begleiten Ratsuchende zu Behördenterminen, um zu vermitteln oder zu übersetzen.
Die rund 500 Jugendmigrationsdienste bilden mit ihrer langjährigen Erfahrung und Expertise eine wichtige Säule bundesweit agierender Integrationsinstrumente. Daniel, Melani, Faeza – sie gehören zu den vielen jungen Menschen, die erfahren haben, was das bedeuten kann: viele kleine Schritte, auch große, die zu einem selbstbestimmten Leben und Miteinander in Deutschland beitragen.
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Wie JMD wirkt: Die Jugendmigrationsdienste im Jahresrückblick
Text, Daten und Darstellungen erstellt durch das Servicebüro Jugendmigrationsdienste, Feb. 2020