Berlin, 14.09.05 Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), hat den schlechten Ausbildungsstand von Migrantenkindern als hochalarmierend bezeichnet. 40 Prozent blieben ohne berufliche Qualifizierung. «Hier bahnt sich eine Katastrophe an», sagte Beck am Dienstag in Berlin bei der Vorlage eines Memorandums zur Integrationspolitik, mit dem sie eine Bilanz ihrer Arbeit zog. Sie forderte eine bessere Förderung und ein kommunales Wahlrecht für schon lange in Deutschland lebende Ausländer.
In Deutschland lebten mittlerweile 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, Ausländer, Aussiedler, Eingebürgerte und wieder aus dem Ausland zurückgekehrte Deutsche. «Vielfalt ist Normalität», sagte Beck. Jedes vierte Neugeborene habe einen ausländischen Elternteil, jede fünfte Eheschließung sei binational. In Westdeutschland komme fast ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien.
Dem Bildungssystem komme eine Schlüsselfunktion zu, betonte Beck. In Berlin beispielsweise hätten türkische Jugendliche von 36 000 Ausbildungsplätzen nur 490 inne. Jeder fünfte ausländische Jugendliche verlasse die Schule ohne Abschluss. Beck warnte, eine extrem alternde Gesellschaft könne es sich nicht leisten, das Potenzial der Migrantenkinder nicht zu nutzen.
Die Integrationsbeauftragte forderte für Migrantenkinder in den Schulen deutlich verbesserte Deutsch-Angebote. Positiv bewertete sie den im neuen Zuwanderungsgesetz verankerten Rechtsanspruch auf Sprachkurse. Unter den inzwischen mehr als 100 000 Teilnehmern seien viele schon lange hier lebende Migranten. Beck kritisierte, dass es in Deutschland kein kommunales Wahlrecht für Ausländer gebe. In manchen Städten würden so ganze Viertel der Wohnbevölkerung von der Stimmabgabe ausgeschlossen.
Heftig kritisierte Beck die entgegen der ursprünglichen Absicht des Zuwanderungsgesetzes immer noch anhaltende Praxis der so genannten Kettenduldungen und eine rigide Abschiebepraxis der Ausländerbehörden. In Deutschland lebten etwa 200 000 Geduldete, fast die Hälfte schon seit mehr als zehn Jahren. Es sei nicht akzeptabel, wenn eine Familie mit sechs in Deutschland geborenen Kindern nach mehr als 13 Jahren vertrieben werde.
(MZ vom 6.9.2005)
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