Mehr Zusammenhalt in Schule und Gesellschaft: JMD Respekt Coaches stärken junge Persönlichkeiten
Bevor die Jungen und Mädchen der Duisburger Herbert-Grillo-Gesamtschule an Rascha Abou-Soueids Geschichtsprojekt teilnahmen, wussten nur wenige, was es mit den messingfarbenen Stolpersteinen vor ihren Haustüren auf sich hat. Dann forschten sie selbst nach, gingen ins Stadtarchiv und recherchierten über die Menschen, die einmal in ihrer Nachbarschaft lebten, bis sie von den Nationalsozialist*innen deportiert wurden. Sie beschäftigten sich mit Rassismus und Antisemitismus und stellten sich die Frage: Was hat das mit mir zu tun? Und was kann ich selbst gegen Rassismus unternehmen?
„Die Jugendlichen lernen dabei auch etwas über ihre eigene Geschichte“, erklärte Rascha Abou-Soueid, Mitarbeiterin des JMD-Programms Respekt Coaches, beim Parlamentarischen Frühstück in Berlin. Dreiviertel der Marxloher*innen haben eine Migrationsgeschichte, einige kennen Flucht und Verfolgung aus der eigenen Familie. Viele haben mit Armut zu kämpfen. „Die Stigmatisierung des Stadtteils wirkt sich stark auf das Selbstbewusstsein der Schüler aus. Wir empowern sie und zeigen ihnen, dass sie etwas können.“ Das Präventionskonzept, das die Respekt-Coaches-Mitarbeiterin mit der Schule erarbeitet hat, greift diese Themen auf – und wirkt somit in den Stadtteil hinein.
Die Fachkräfte begleiten die persönliche Entwicklung der Schüler*innen und unterstützen Schulen dabei, passende Gruppenangebote zu finden.
Respekt Coaches haben anderen Zugang zu den Jugendlichen
Mit dem Programm Respekt Coaches unterstützen die JMD an bundesweit rund 300 Schulen Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund mit Angeboten zur Demokratie- und Persönlichkeitsbildung. Über die Erfolge und die Zukunft des Programms sprachen sie am 5. März 2020 mit Bundestagsabgeordneten und deren Mitarbeiter*innen. Das Frühstück fand unter der Schirmherrschaft des SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Groß im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin statt.
Mit dabei war auch der Marxloher Schulleiter Markus Bernard. Aus seiner Sicht ist es ein Glück, einen Respekt Coach an der Schule zu haben. Lehrkräfte wie er sehen sich mit einer schwierigen Doppelaufgabe konfrontiert: Sie sollen Wissen vermitteln und Noten geben, aber auch erziehen. Das bringt sie zum einen in einen Rollenkonflikt, zum anderen fehlt bei Klassengrößen um die 30 Schüler*innen einfach die Zeit. „Die jungen Menschen brauchen Begleitung. Das ist ein langwieriger Prozess.“ Als Sozialarbeiter*innen hätten die Respekt Coaches einen anderen Zugang zu den Jugendlichen.
Selbstbewusstsein vermitteln braucht Zeit
Würde das Programm Ende 2020 auslaufen, wie bisher geplant, so würde die intensive Beziehungsarbeit im Sande verlaufen, die die Respekt Coaches seit dem Start 2018 geleistet haben. Das untermauert auch der Bericht von Hannah Schütze, die als Respekt Coach in Forst (Region Cottbus) Schülervertreter*innen ermutigt, ihr Mitspracherecht zu nutzen. Sie arbeitet mit einem Bildungsträger zusammen, der die Jugendlichen in Partizipation und Demokratie schult. Doch bis die Schüler*innen verinnerlicht haben, dass sie selbst etwas an ihrer Schule bewegen können, ist es laut Schütze noch ein weiter Weg. Obwohl ihre Schule auf dem Land liegt und die Gegend nur wenig von Einwanderung geprägt ist, sind die Herausforderungen dort ähnlich wie in Duisburg. Eltern und Kinder fühlen sich abgehängt und perspektivlos, die Jobaussichten sind schlecht. Durch das Programm Respekt Coaches machen die Schüler*innen die Erfahrung, dass sie dazugehören und in ihrem Umfeld etwas bewirken können.
Bei Brötchen und Kaffee kamen Abgeordnete mit Vertreter*innen von Jugendmigrationsdiensten, Schulen und Wissenschaft ins Gespräch.
Breiter Ansatz, individuell auf die jeweilige Schule angepasst
Neben Schütze und Abou-Soueid stellten Julia Jenkner aus Nürnberg und Adrian de Souza Martins aus Berlin ihre Arbeit als Respekt Coaches vor. In Nürnberg schafft eine feministische Mädchen-AG ein vertrauensvolles Klima, in dem sich junge Frauen mit Geschlechterrollen, Diskriminierung und verschiedenen Themen des Alltags beschäftigen. Die Berliner Schüler*innen setzen sich mit den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Weltreligionen auseinander. Die Angebote vereint ein breiter Ansatz: „Sie sollen alle Jugendlichen ansprechen und jeglicher Form von Extremismus vorbeugen“, erklärte JMD-Bundestutorin Mirjam Olabi beim Frühstück mit den Abgeordneten. Dazu gehen die Respekt Coaches gezielt auf den Bedarf der jeweiligen Schule ein und arbeiten eng mit deren Schulsozialarbeiter*innen zusammen.
Mehr Planungssicherheit für Schulen und Fachkräfte
Die positiven Rückmeldungen der Schulen bestätigten den Erfolg dieses Ansatzes, so Olabi. Die Jugendmigrationsdienste seien für die Schulen seit vielen Jahren zuverlässige Partner, kennen das Umfeld und sind gut vernetzt. Doch um nachhaltige Wirkung zu erzielen, müsse die Arbeit der Respekt Coaches fortgesetzt werden. „Es wäre fatal, wenn das Programm nach diesen zwei Jahren abgebrochen würde.“ Zudem benötigten Schulen und Fachkräfte Planungssicherheit.
Die Träger der Jugendmigrationsdienste appellierten an die Abgeordneten, ihren Einfluss zu nutzen, um für das Programm Perspektiven zu schaffen. Das stieß bei den Parlamentarier*innen auf Zuspruch. Im Gespräch mit den JMD-Vertreter*innen unterstrichen sie die Bedeutung der JMD-Arbeit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und erkundigten sich nach Details zum Programm Respekt Coaches. Dass Programme wie dieses einen wichtigen Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit leisten können, machte auch der Sozialwissenschaftler Dr. Christian Hunkler vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung deutlich. Angesichts zunehmender sozialer Ungleichheit, Zuwanderung und politischer Polarisierung brauche es langfristige, ergänzende Unterstützung für die Lehrkräfte.
Die Abgeordneten bekräftigten ihre Unterstützung für die Jugendmigrationsdienste, hier: Svenja Stadler, Mathias Stein und Ulli Nissen (SPD, v.l.n.r.).
Über die Jugendmigrationsdienste
Über 470 Jugendmigrationsdienste bundesweit begleiten junge Menschen mit Einwanderungsgeschichte im Alter von 12 bis 27 Jahren mit individuellen Angeboten und professioneller Beratung in ihrer schulischen, beruflichen und sozialen Entwicklung. Die JMD sind neben der Migrationsberatung für Erwachsene, den Integrationskursen und den berufsbezogenen Deutschkursen eine der vier Säulen bundesgeförderter und bundesweit agierender Integrationsinstrumente.
Die JMD stehen für eine offene und pluralistische Gesellschaft und wirken Rassismus und Ausgrenzung entgegen. Seit 2018 sind JMD-Mitarbeiter*innen an 190 Standorten im Programm
Respekt Coaches an Schulen tätig. Mit präventiven Gruppenangeboten fördern sie Respekt, Toleranz und den Abbau von Vorurteilen unter Schüler*innen mit und ohne Migrationsgeschichte. Das Programm wird von den Trägern der JMD umgesetzt: Arbeiterwohlfahrt, BAG Evangelische Jugendsozialarbeit, BAG Katholische Jugendsozialarbeit und Internationaler Bund/Freie Trägergruppe (IB, Parität und DRK).
Mehr unter:
www.jmd-respekt-coaches.de
Text und Bilder: Servicebüro Jugendmigrationsdienste