Lebendiger Austausch beim Aktionstag der Jugendmigrationsdienste 2024
Rund 150 Jugendmigrationsdienste haben sich in diesem Jahr am bundesweiten JMD-Aktionstag beteiligt. Im Zentrum stehen Gespräche mit Bundestagsabgeordneten und anderen Politiker*innen – etwa Mitgliedern des Landtags, Bürgermeister*innen und Land- oder Stadträt*innen. Darin stellen die JMD-Fachkräfte ihre Arbeit dar, zeigen Erfolge auf und machen auf aktuelle Herausforderungen aufmerksam. Häufig luden die JMD gemeinsam mit der Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) ein, deren Aktionswoche zeitgleich stattfand.
Die Wirkung der JMD-Arbeit darzulegen, gelingt am besten aus erster Hand. Daher nahmen an vielen Gesprächen junge Menschen aus der JMD-Beratung teil und schilderten ihre Erfahrungen. Wie geht es ihnen in Deutschland, welche Herausforderungen begegnen ihnen und was konnten sie – auch mit Unterstützung des JMD – bereits erreichen? Schwerpunkt der JMD-Arbeit ist der Übergang Schule/Ausbildung/Beruf. Deutsch lernen, eine Schule oder Ausbildung finden, Abschlüsse anerkennen lassen oder den Aufenthaltsstatus klären: Die Themen sind vielfältig, die bürokratischen Hürden teils hoch. In den Gesprächen wurde deutlich: Mit ihrer Arbeit leisten die JMD einen bedeutenden Beitrag zur sozialen Teilhabe junger Menschen, zur Gewinnung von Fachkräften und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Hohe Nachfrage, doch Angebot in Gefahr: Fördersumme muss steigen
Sorge macht den Beteiligten die unsichere und unzureichende Finanzierung des Bundesprogramms, das vom BMFSFJ gefördert wird. Der Beratungsbedarf steigt seit Jahren: 2023 war die Zahl der Ratsuchenden mit mehr als 130.000 so hoch wie nie zuvor. Zeitgleich stiegen die Personal- und Sachkosten um rund 6 Prozent. Allein um das derzeitige Angebot zu sichern, benötigten die JMD im Haushaltsjahr 2025 eine Fördersumme von rund 73 Millionen Euro. Um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, wären insgesamt rund 77,4 Millionen Euro nötig. Für die dringend notwendige Fortsetzung des Präventionsprogramms JMD Respekt Coaches, das Demokratiebildung an Schulen fördert, bedarf es weiterer 21 Millionen Euro.
Herausforderungen und Erfolge, aber auch die Finanzierung der JMD waren häufige Gesprächsthemen. Zu Besuch in Lüneburg war Bundestagsabgeordnete Dr. Julia Verlinden (Bündnis 90/Die Grünen). (Foto: JMD Lüneburg)
Angeregte Gespräche auf Augenhöhe
Trotz der angespannten Finanzlage: In ihren Aktionen gelang es den JMD, eine lockere und vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. So veranstaltete der JMD Gelsenkirchen eine Art Speed-Dating zwischen jungen Ratsuchenden und Politiker*innen. Sie tauschten sich zum Beispiel darüber aus, inwieweit heimische Schul- und Berufsabschlüsse der Jugendlichen in Deutschland anerkannt wurden und welche Hürden es dabei gab. Beim JMD Lüneburg absolvierten Netzwerkpartner*innen und Landtagsabgeordnete einen (gekürzten) Einbürgerungstest, wurden in einer ihnen unbekannten Sprache beraten und setzten sich mit Erfahrungsberichten junger Ratsuchender auseinander. Gemeinsam suchten sie nach Antworten auf die Frage: Was könnte die Politik verbessern?
Auf ihr Gespräch mit der niedersächsischen Landesintegrationsministerin Aminata Touré hatten sich sieben junge Menschen intensiv vorbereitet, unterstützt von den JMD in Eutin, Plön und Bad Schwartau. Trotz anfänglicher Zweifel („Reichen meine Deutschkenntnisse aus?“, „Was habe ich der Ministerin schon zu sagen?“) gingen sie mutig in das Gespräch. Sie berichteten, wie es ihnen aktuell in Deutschland geht, was sie für ein gutes Leben brauchen und was sie mitunter daran hindert. Durch die Erfahrung, einer Politikerin auf Augenhöhe zu begegnen, angehört und ernstgenommen zu werden, gingen sie bestärkt aus dem Gespräch hervor.
Junge Menschen wenden sich an die Politik
Im Rahmen eines trägerübergreifenden Aktionstags in Berlin gestalteten junge Menschen ihr eigenes Programm unter dem Motto „Was wir Deutschland zurückgeben“. Andernorts wandten sich Jugendliche mit persönlichen Statements an Politiker*innen und die Öffentlichkeit. Sie verfassten Postkarten und kurze Steckbriefe oder drehten Videos, in denen sie erzählten, wie sie von der Zusammenarbeit mit dem JMD profitiert haben.
Viele Aktionen fanden auf Marktplätzen, im Rahmen von Stadtteilfesten oder der Interkulturellen Wochen statt. Beispielsweise machte der JMD Magdeburg bei einer gemeinsamen Aktion der Migrationsfachdienste auf dem Alten Markt auf die schwierige Finanzlage aufmerksam. Bei einer Wunschsteinaktion formulierten Jugendliche ihre Zukunftswünsche sowie die Wünsche, die sie an die Gesellschaft haben, und gestalteten für jeden Wunsch einen bunt bemalten Stein.
Neben der Beratung und den Gruppenangeboten der JMD präsentierten viele Aktionen auch die Arbeit der JMD Respekt Coaches. Mit Gruppenangeboten an Schulen fördert das Präventionsprogramm Respekt, Toleranz und den Abbau von Vorurteilen. Auch die JMD Mental Health Coaches stellten ihre Arbeit vor. Das Programm bietet an Schulen Informationen und Erfahrungsaustausch zum Thema psychische Gesundheit. In präventiven Gruppenangeboten erfahren junge Menschen, wie sie mit belastenden Situationen umgehen und ihre Resilienz stärken können.
Bunte Papiervögel stehen für die beflügelnde Wirkung der Jugendmigrationsdienste auf das Leben junger Menschen mit Migrationsbiografie. (Foto: JMD Schorndorf)
Bundesweite Kampagne: #JMDbeflügeln
Starken Zuspruch erhielt die Kampagne #JMDbeflügeln. Dabei falteten junge Menschen und JMD-Mitarbeitende Papiervögel und sendeten sie an Politiker*innen und Netzwerkpartner*innen. Die damit verbundene Botschaft: „Die Jugendmigrationsdienste beflügeln den Integrationsprozess von zugewanderten jungen Menschen. Nachhaltige Integration braucht sichere Finanzierung. Unterstützen Sie die Aktion #JMDbeflügeln, damit diese Arbeit fortgesetzt werden kann!“ Zahlreiche Bundestagsabgeordnete und andere Unterstützer*innen posteten daraufhin Selfies unter dem Hashtag #JMDbeflügeln.
Stark im Netzwerk: Trägerübergreifende Veranstaltungen
Viele Aktionen fanden trägerübergreifend und in Kooperation mit anderen Diensten aus den Bereichen Migration und Jugendsozialarbeit statt. Dabei wurde deutlich, dass sowohl ein gut ausgebautes Netzwerk als auch fachliche Expertise die Jugendmigrationsdienste auszeichnen. In Kassel beispielsweise kamen 120 Gäste zu einem Runden Tisch zusammen, in dem unter anderem die Wirkung von JMD und MBE als Integrationsmotor für die Kommune beleuchtet wurde. Weitere Fachveranstaltungen und Diskussionsrunden thematisierten ihre Zukunftsperspektiven und ihre Bedeutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Abgeordnete sichern Unterstützung zu
Der diesjährige JMD-Aktionstag zeigte erneut, wie groß die Zahl der Unterstützer*innen im politischen Raum ist. Rund 90 Bundestagsabgeordnete nahmen an den Aktionen teil. Viele bekundeten ihren Zuspruch und kündigten ihre Unterstützung im parlamentarischen Verfahren an. Zugleich wurde immer wieder auf die schwierige Haushaltslage verwiesen. An ihrem Ziel halten die JMD fest: eine Finanzierung, mit der sie ihr wichtiges Angebot bedarfsgerecht weiterführen können – zum Wohle der jungen Menschen und der ganzen Gesellschaft.
Ein 13-minütiger Dokumentarfilm aus Stuttgart zeigt eindrücklich den Beitrag, den die Migrationsdienste zur Stadtgesellschaft leisten, beschreibt aber auch Herausforderungen. (Film: Martin Mannweiler)
Über die Jugendmigrationsdienste
Rund 500 JMD bundesweit unterstützen junge Menschen mit Migrationsbiografie zwischen 12 und 27 Jahren durch Beratung, Bildungs- und Freizeitangebote. Einen Schwerpunkt bildet die langfristige, individuelle Begleitung Jugendlicher auf ihrem schulischen und beruflichen Weg. Ziel ist es, die soziale Teilhabe der jungen Menschen zu fördern und ihre Perspektiven zu verbessern.
Zum JMD-Aktionstag rufen jährlich die Trägergruppen der JMD auf. Gestaltet und durchgeführt werden die Aktionen von den JMD vor Ort. In ihrem Forderungspapier zum Bundeshaushalt 2025 fordern die JMD-Trägergruppen einen Mittelaufwuchs und eine dynamische Anpassung des Förderbudgets: Argumente und Forderungen der JMD – Bundeshaushalt 2025 (PDF)
Das JMD-Programm wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. Umgesetzt wird das Programm von vier Trägergruppen: AWO Bundesverband, BAG Evangelische Jugendsozialarbeit, BAG Katholische Jugendsozialarbeit und Internationaler Bund/Freie Trägergruppe. Mehr unter www.jugendmigrationsdienste.de und im JMD-Factsheet 2024 (PDF).
Text: Servicebüro Jugendmigrationsdienste