Auswanderung statt Einwanderung
Berlin - Längst sind es nicht mehr die Neuankömmlinge aus dem Ausland, die Deutschland Sorgen bereiten. Die Sorgenkinder sind vielmehr die Migranten, die seit langem hier leben. Ein Gipfel im Kanzleramt soll den Druchbruch bringen. Ein Lagebild.
Abwanderung:
Wie sich die Zeiten ändern: Kaum wird der Satz "Deutschland ist ein Einwanderungsland" überwiegend als Tatsachenbeschreibung und nicht als
(linkes) Wunschdenken betrachtet, ist es vielleicht bald an der Zeit für eine neue Sprachübung: "Deutschland ist ein Auswanderungsland".
Noch gibt es per Saldo ein Plus. Doch noch nie seit dem Krieg haben so viele Bürger das Land verlassen wie im vorigen Jahr - 628 000 Menschen haben 2005 ihre sieben Sachen gepackt. 707 000 Personen sind nach Deutschland zugezogen.
Weniger Neuankömmlinge:
Die Zeiten, in denen für Neuankömmlinge - seien es Flüchtlinge oder Aussiedler - Turnhallen geräumt werden mussten, sind vorbei. Die Zahl der Asylbewerber ging im vorigen Jahr um fast 19 Prozent zurück. Es gab nur 29000 neue Anträge. Auch die Zahl der neu einreisenden Spätaussiedler - rechtlich Deutsche - ging zurück, auf 35000.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble betonte zuletzt, Integration habe insbesondere Bedeutung mit Blick auf die Menschen, die schon in Deutschland leben.
Ausländer als Problemlöser?
Deutschland vergreist, die Sozialkassen leiden. Sind Einwanderer die Lösung für Fachkräfte- und Kindermangel? Hier lebende Ausländer sind mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren acht Jahre jünger als Deutsche. Dass Migranten die Problemlöser für hausgemachte Probleme in Deutschland wären, glaubt nur eine Minderheit in der Politik. Vielmehr setzt sich die Auffassung durch: Deutschland muss viel mehr tun für die Menschen, die schon hier leben. Armin Laschet (CDU), Integrationsminister in NRW, sagt: "Lasst uns Integration zur Erfolgsgeschichte machen".
Bildung als Hebel:
Nach jahrelangem Streit über Zuwanderungspolitik eint die politischen Lager die Einsicht, dass für die Bildung der Kinder mit Zuwanderungsgeschichte mehr getan werden muss. Die Lage: Fast jeder fünfte Jugendliche mit ausländischem Pass verlässt die Schule ohne Abschluss - gegenüber jedem zwölften deutschen Jugendlichen. Fast jedes zweite ausländische Kind besucht die Hauptschule (jedes fünfte deutsche). Während jeder vierte deutsche Schüler Abitur macht, schafft dies nur jeder zehnte ausländische.
MARGARETE VAN ACKEREN
(Rheinische Post vom 10.7.2006)